Das arpadenzeitliche Gräberfeld vom Oberleiserberg
Der Oberleiserberg liegt als landschaftsbeherrschende Klippe (Thenius 1962, 31) mitten im hügeligen Gebiet des nördlichen Weinviertels (Thenius 1974, 53) unweit von Ernstbrunn. Der Berg selbst erhebt sich dabei 457 m hoch über das Umland (Riedl 1958, 4). Seine markante Lage und die gute Fernsicht von der Anhöhe sind kennzeichnend (Jettmar 2008, 5).
Geografische Lage des Oberleiserbergs (rot)
Der Berg selbst wird von einem Plateau gekrönt, das ein unregelmäßiges Oval (Mitscha-Märheim/Nischer-Falkenhof 1929, 393) mit einer Fläche von etwa 7,5 ha bildet (D. Kern 2012, 34).
Auf diesem fanden bereits in der Zeit zwischen 1925 und 1930 sowie im Jahre 1933 Grabungen unter der Leitung von Dr. Herbert Mitscha-Märheim und Dr. Ernst Nischer-Falkenhof statt (Kern 2012, 34). Die Ergebnisse der Grabungen sind in mehreren Arbeiten veröffentlicht worden (etwa Mitscha-Märheim &Nischer-Falkenhof 1929, Nischer-Falkenhof &Mitscha-Märheim 1930-1934, Nischer-Falkenhof & Mitscha-Märheim 1931, Nischer-Falkenhof & Mitscha-Märheim 1935-1938, Mitscha-Märheim 1937, Mitscha-Märheim 1956, Mitscha-Märheim 1966). In den Jahren 1976 bis 1990 wurden die systematischen Ausgrabungen unter Leitung von Prof. Dr. Herwig Friesinger (Universität Wien, Institut für Ur- und Frühgeschichte) wieder aufgenommen. Von 1980 bis 1990 betreute Dr. Anton Kern die Ausgrabungen vor Ort (Stuppner 2006, 9). Ziel war die Überprüfung der Altbefunde, die Frage nach dem Befestigungswesen, der zeitlichen Siedlungsabfolge und der Siedlungsstruktur auf dem Plateau (D. Kern 2012, 34; Stuppner 2006, 9). In den Jahren 1996 bis 2000 fanden erneut Grabungen aber auch Prospektionen auf dem Plateau des Oberleiserberges statt. Sie standen unter der Leitung von a.o.Prof. Dr. Alois Stuppner (Universität Wien, Institut für Ur- und Frühgeschichte) (Stuppner 1999, 833). Gegenstand dieser Untersuchungen war die völkerwanderungszeitliche Besiedlung des Plateaus (Stuppner 2006, 9).
Schnitte 2 und 3 der Grabungskampagne 1974 (Fotoarchiv, Institut Urgeschichte
und Historische Archäologie)
Das Plateau wurde ab etwa 4300 vor Christus immer wieder von Menschen genutzt (Stuppner 2006, 12). Funde und Befunde datieren in das Neolithikum, die Frühbronze- (Stuppner 2006, 14), Urnenfelder- (D. Kern 2012, 36; Stuppner 2006, 16) und Latènezeit (Karwowski 2012, 40). In der Völkerwanderungszeit befand sich auf dem Plateau ein germanischer Herrschersitz, von dem ein mehrphasiger Herrenhof, mehrere Ständerbauten und ein Bereich für Handwerker oder Gewerbetreibende freigelegt werden konnten (Stuppner 2006, 24).
Auch im ausgehenden Frühmittelalter wurde das Areal genutzt. Aus dem 10. und 11. Jahrhundert sind insgesamt 79 Gräber bekannt, die in den verschiedenen archäologischen Kampagnen dokumentiert wurden. Die Grabausstattung besteht aus Kopfschmuckringen, Glasperlen und seltener Messern und Fingerringen. In einem Fall konnte eine Lanzenspitze dokumentiert werden. Zudem kommen Münzen als seltene Beigaben vor. Auch die Nachnutzung völkerwanderungszeitlicher Steinbauten, etwa die Anlage eines Kellers im völkerwanderungszeitlichen Herrenhauses, in dieser Zeit ist anzunehmen (Stuppner 2001, 700; Stuppner 2014, 267-269).
Gräberfeldplan (erstellt von R. Lampl)
In der Folgezeit befindet sich auf dem Berg noch eine um 1200 errichtete romanische Wallfahrtskirche (Wawruschka 2009, 139), die um 1400 durch einen gotischen Bau ersetzt wurde (Kern 1988, 294). Unter Kaiser Josef II. wird diese abgerissen (Mitscha-Märheim 1937, 23) und eine kleine, hölzerne Gedächtniskapelle errichtet (Mitscha-Märheim & Nischer-Falkenhof 1929, 433).
Während des zweiten Weltkriegs entstand auf dem Bergplateau eine Fliegerbeobachtungsstation mit den dazugehörenden Bunker- und Schutzbauten (Kern 1987, 7; Stuppner 1999, 835).
Im Rahmen des Projektes soll die spätfrühmittelalterliche Nutzung des Berges untersucht werden, die bisher nicht im Mittelpunkt der Forschung stand. Im Vordergrund steht dabei das Gräberfeld des 10. und 11. Jahrhunderts mit seinen 79 Bestattungen. Über archäologische und anthropologische Methoden, naturwissenschaftliche Untersuchungen sowie regionale und überregionale Vergleiche sollen neue Kenntnisse über die Lebensbedingungen in der Grenzregion erworben werden. Dabei befindet sich der Oberleiserberg nicht nur in geographischer Nähe zum Großmährischen Reich, auch Verbindungen nach Ungarn können unter anderem durch 35 ungarische Münzen (Militký 2012, 54) nachgewiesen werden.
Eine detaillierte Vorlage der Projektergebnisse in Bezug auf den Oberleiserberg wird im Rahmen einer Doktorarbeit an der Universität Wien, Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie erfolgen.
Bibliographie